Volvo EX90
Ehrgeiz
Das vielleicht wichtigste Ziel von Volvo ist es, bis 2040 klimaneutral zu sein. Aus diesem Grund ist der vollelektrische EX90 der Nachfolger des konventionellen XC90. Um mehr als nur überlegene Technologie zu bieten, ist der EX90 auch eine Nummer größer als der XC90 und überschreitet die 5-Meter-Marke. Dabei verrät der XC90, dass es sich um ein Elektroauto handelt, mit seinem geschlossenen Kühlergrill, Spiegeln ohne hochstehende Kanten und versenkten Türgriffen. All das sorgt für einen minimalen Luftwiderstand und damit für einen geringeren Stromverbrauch und weniger Fahrgeräusche.
Raum
Der moderne und schlichte Stil des Exterieurs setzt sich auch im Innenraum fort. Und wie die Konkurrenz entscheidet sich auch Volvo für einen minimalistischen Stil. Dies führt jedoch oft zu einem sterilen Innenraum, aber der EX90 ist tatsächlich einladend und warm! Das liegt an den Farben und der Verwendung von Materialien. Das alles sorgt dafür, dass so mancher nach der Fahrt zur Arbeit noch eine Weile bleibt oder telefoniert, weil die Umgebung so angenehm ist!
Dieser angenehme Aufenthalt ist auch dem Sitzkomfort und dem Platzangebot zu verdanken, denn beides ist hervorragend. Auch im Fond bietet der EX90 Kopf- und Beinfreiheit in Hülle und Fülle. Der EX90 verfügt über eine dritte Sitzreihe, die jedoch nur nutzbar ist, wenn die hinteren Sitze (zweite Sitzreihe) nach vorne geschoben werden. Bei sieben Personen an Bord muss daher immer ein Gleichgewicht zwischen der Beinfreiheit in der zweiten und dritten Sitzreihe gesucht werden. Und dennoch ist der EX90 geräumiger als vergleichbare Fahrzeuge anderer Marken! Selbst wenn die dritte Sitzreihe genutzt wird, bleibt noch genügend Platz für ein paar Koffer, während bei den meisten Konkurrenten kein Platz mehr ist, wenn alle sieben Sitze genutzt werden. Als wäre das nicht genug, bietet der EX90 zusätzlichen Stauraum unter dem Ladeboden und unter der Motorhaube ("frunk").
Ausstattung mit Android Automotive
Die große Neuerung liegt in der Ausstattung. Denn der EX90 ist ein "softwaregesteuertes Auto", was bedeutet, dass so viele Funktionen wie möglich vom Computer übernommen werden. Auf diese Weise können viele Funktionen nachträglich durch Updates angepasst oder erweitert werden. Das erklärt auch, warum die Anzahl der physischen Knöpfe minimal ist; sogar das (enttäuschend kleine) Handschuhfach wird mit einer "App" auf dem zentralen Display geöffnet.
Die Hauptrolle spielt dabei Android Automotive. Volvo hat vor einigen Jahren die Entwicklung seines eigenen Audio-, Kommunikations- und Navigationssystems eingestellt und es durch Android ersetzt. Das passt perfekt in die Strategie, weil es sich mit Updates leicht anpassen lässt. Außerdem bietet Google Maps eine hervorragende Navigation. Wer ein Android-Telefon hat und sich mit einem Android-Konto anmeldet, hat auch einfachen Zugriff auf alle privaten Daten (Adressbuch, Musik, Podcasts usw.) und auf den Google Assistant.
Wer hingegen ein iPhone hat, fühlt sich ausgeschlossen und findet, dass viele Funktionen nicht verfügbar sind. Den vielen Vorteilen von Android stehen jedoch Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre gegenüber, da alle Daten jeder Fahrt mit Google geteilt werden. Um diesen Schmerz etwas zu lindern, hat Volvo ein "Privacy Center" entwickelt, mit dem Funktionen vorübergehend deaktiviert und/oder Daten lokal gespeichert werden können. Es ist auch möglich, Android zu deaktivieren, indem man den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zustimmt, aber dann ist der EX90 in seinen Möglichkeiten erheblich eingeschränkt.
Außerdem sollte man bedenken, dass Android nicht weiß, dass es in einem Auto betrieben wird. Fragen zum Fahren oder sogar zum Infotainmentsystem werden daher nicht korrekt beantwortet. So wurde zum Beispiel die Anfrage "Musik von Bluetooth abspielen" mit dem Abspielen eines Songs namens "Bluetooth" auf Spotify beantwortet. Schließlich hat Volvo keine klare Strategie, wann die Hardware nicht ausreicht, um eine neue Android-Version zu installieren. Daher ist es gut zu wissen, dass es möglich ist, das eigene Smartphone mit Apple CarPlay oder Android Auto zu koppeln.
Für das Audiosystem hat sich Volvo mit Bowers & Wilkins zusammengetan. Das Ergebnis ist ein Audiosystem, das mit einem Maximum an Räumlichkeit, Tiefe, Klarheit und Dynamik punktet. Bei Musik haben alle Instrumente ihren eigenen Platz (sogar bei Stereowiedergabe!), die kleinsten Details sind hörbar und der Klang verzerrt auch bei hoher Lautstärke kaum. Allerdings ist die Wiedergabe vielleicht zu perfekt. Deshalb fehlt die Seele. Das System lädt nicht zum längeren Hören ein. Ebenfalls schade: Es ist nicht möglich, Musik von einem USB-Stick oder einem Telefon mit Kabelanschluss abzuspielen. Wer nicht die eingebauten Android-Apps nutzen will, muss sich also auf Bluetooth verlassen, das eine viel schlechtere Qualität hat als ein Datensignal über ein Kabel.
Der Testwagen war mit einer App anstelle eines Schlüssels ausgestattet, und das funktioniert nicht gut. Im Moment ist diese App nur für iPhones verfügbar (seltsam für ein Android-basiertes Auto!) und das Ver- oder Entriegeln erforderte jedes Mal mehrere Versuche. Selbst während der Fahrt erschien mehr als einmal die Meldung, dass der elektronische Schlüssel nicht erkannt werden konnte. Daher war der Testfahrer gezwungen, auf den elektronischen Schlüssel in Form einer Debitkarte zurückzugreifen. Dieser funktionierte einwandfrei.
Sicherheit
Der EX90 soll langfristig ein selbstfahrendes Auto sein, kurzfristig soll er den Fahrer so weit wie möglich unterstützen. Deshalb sind überall Sensoren zu finden, darunter ein Lidar auf dem Dach (der "Buckel" in der Mitte über der Windschutzscheibe). Für Autozine ist dies der einzig richtige Ansatz: Nur durch die Kombination verschiedener Techniken ist es möglich, ein zuverlässiges Urteil zu fällen. Eine Kamera kann bei schlechten Sichtverhältnissen versagen oder auf eine optische Täuschung hereinfallen (z. B. ein Fahrrad auf einem Gepäckträger auf der Rückseite eines Autos) und daher falsche Informationen liefern.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels sammelt Lidar zwar Daten, diese werden jedoch nur zum Trainieren eines künstlich intelligenten Systems und nicht zur tatsächlichen Lenkung des Fahrzeugs verwendet. Dennoch war auffällig, dass die Lenkhilfe den EX90 bereits vorbildlich in der Mitte der Fahrspur hält (also nicht zwischen den Linien "hüpft") und einen gleichmäßigen Abstand zum übrigen Verkehr einhält. Da die Testfahrt in Amerika stattfand, war der Testwagen nicht mit den in Europa vorgeschriebenen Systemen ausgestattet, die den Fahrer für jede Unachtsamkeit bestrafen. Daher kann man hier sagen, dass die Systeme genau sind, aber nicht, wie viel Spielraum sie lassen und/oder wie aufdringlich die Warnungen sind.
Elektroauto
Für den EX90 hat Volvo eine völlig neue Plattform entwickelt. Diese wurde um die Batterie herum konzipiert, so dass viel Platz für die Batterien vorhanden ist (große Reichweite) und diese optimal geschützt sind (Sicherheit). Unter anderem dank der großzügigen Länge des Fahrzeugs passt eine Batterie mit einer Kapazität von 111 kWh in den Boden. Theoretisch reicht das für eine Reichweite von 585 km. Bei der Testfahrt unter günstigen Wetterbedingungen und bei ruhiger Fahrweise waren es jedoch 447 km. Das ist seltsam, denn der Testverbrauch war mit 19,3 kWh pro 100 km sogar niedriger als die Werksangabe (21 kWh pro 100 km).
Die hier gefahrene "Twin Motor Performance"-Version verfügt über zwei Elektromotoren, die zusammen 517 PS / 910 Nm leisten. Und das ist vom ersten Moment an spürbar! Der EX90 reagiert aufmerksam auf das Gaspedal und ist gelinde gesagt entschlossen, was für ein kraftvolles Gefühl sorgt. Wenn das Gaspedal tiefer gedrückt wird, beschleunigt die EX90 gnadenlos und scheinbar unerbittlich auf ihre begrenzte Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Die EX90 kann auf Wunsch mit einem Pedal gefahren werden. Dabei fällt auf, dass sich die Kraftfülle sehr genau dosieren lässt. Selbst im dichten Verkehr muss daher nur selten gebremst werden, was das Fahren erleichtert (und effizienter macht!).
Auch beim Aufladen ist der EX90 alles andere als langsam. Unter idealen Bedingungen kann der EX90 mit einer Leistung von 250 kW aufladen (10 % bis 80 % in 30 Minuten). Der EX90 ist der erste Volvo, der bidirektional laden kann, d. h. Energie ins Netz zurückspeisen kann. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts war diese Funktion jedoch noch nicht aktiviert.
Die Fahreigenschaften
Dennoch ist es der Komfort, mit dem der EX90 wirklich beeindruckt. Elektroautos sind in der Regel schon sehr leise, aber der EX90 geht noch einen Schritt weiter. Es wurde nicht nur besonders auf die Stromlinienform geachtet, sondern auch darauf, dass die Teile untereinander keine Reibung verursachen. So sind zum Beispiel mehrere Schrauben in einer Flüssigkeit montiert! Selbst auf schlechten Straßen ist die Klimaanlage die einzige Geräuschquelle, und sie ist nur dann zu hören, wenn das Radio ausgeschaltet ist und die Insassen schweigen. Kurzum: ein leises Auto!
Der niedrige Schwerpunkt dank der im Boden untergebrachten Batterien sorgt zusammen mit der fortschrittlichen Federung für eine hervorragende Straßenlage. Laut Volvo sorgt die Zweikammer-Luftfederung dafür, dass der Unterschied zwischen Komfort- und Sportmodus sehr groß ist. In der Realität wird dies nicht so empfunden, sondern es fällt auf, dass der EX90 das Fahren unter verschiedenen Bedingungen leicht macht. Bei härterer Fahrweise muss der Fahrer nicht mehr arbeiten, sondern bleibt ruhig.
Der Twin Engine geht dank Torque Vectoring" noch einen Schritt weiter. Dieses verteilt die Kraft variabel zwischen dem linken und dem rechten Hinterrad, so dass die Karosserie bei Kurvenfahrten stabiler bleibt. Der Testfahrer wollte sich mehr als einmal für eine schnelle Kurve abstützen, aber das war nie nötig. Dank des Torque Vectoring bleibt der EX90 bis zu sehr hohen Geschwindigkeiten stabil und damit sicher.
Fazit
Volvo verspricht mit dem EX90 viel: Er soll der erste einer neuen Generation von Elektroautos sein, die in Sachen Komfort, Dynamik, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit noch weiter gehen. Diese Ambitionen werden weitgehend erfüllt. Vor allem, weil sich bei der Testfahrt herausstellte, dass einige Funktionen noch nicht verfügbar waren (Lidar, bidirektionales Laden) oder nicht richtig funktionierten (Ver- und Entriegeln mit dem Mobiltelefon). Da der EX90 jedoch ein softwaregesteuertes Auto ist, kann dies in Zukunft leicht verbessert werden. Darüber hinaus ermöglicht dieses Design sogar eine spätere Erweiterung der Funktionalität.
Die neue Plattform bietet Platz für eine großvolumige Batterie, sieben Sitzplätze und einen großen Kofferraum. Die neuen Elektromotoren haben so viel Kraft, dass der EX90 Twin Engine so manchen Sportwagen in den Schatten stellt.
Ähnliche Autos der Konkurrenz fühlen sich oft groß und stattlich an. Das fortschrittliche Fahrwerk macht den EX90 mindestens genauso komfortabel, aber relativ wendig. Deshalb ist der EX90 bei Bedarf auch sehr dynamisch. Die Kombination aus Laufruhe und Sportlichkeit, Verbrauch und Reichweite, Ergonomie und Sicherheit macht den EX90 zum ersten einer neuen Generation von Elektroautos von Volvo. Mission erfüllt!
- Sehr sicher
- Niedriger Verbrauch, große Reichweite
- Äußerst leise und komfortabel, aber auch dynamisch und schnell
- Heckklappe lässt sich nicht hoch genug öffnen
- Android Automotive wirft Datenschutzbedenken auf
- Mehrere elektronische Fehlfunktionen während der Testfahrt