Datum der Veröffentlichung: 29 August 2007
Renault Twingo (2007 - 2014)
Autotest

Renault Twingo (2007 - 2014)

Neue Energie

Autotest - Endlich! Der neue Renault Twingo ist da. Die vorherige Generation war sage und schreibe 15 Jahre auf dem Markt. Nicht wegen Trägheit bei Renault, sondern gerade wegen der Fortschrittlichkeit von Renault. Das Auto war der Zeit so weit voraus, dass dem Modell in diesen Jahren erst eine Konkurrenz herangewachsen war. Aber jetzt ist es Zeit für einen neuen Twingo.

Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre, obwohl es schon etwas länger her ist, nämlich 1992. Ich hatte noch keine Ahnung, in welchem Beruf ich später tätig sein würde, aber ich hatte immer eine Meinung über Autos. Als der Twingo beim lokalen Händler erschien, hatte ich mein Urteil schon parat: "Ich möchte in dem Wagen nichtmal tot gesehen werden".

Einige Jahre später kauften meine Eltern einen Twingo. Die Tinte auf meinem Führerschein war gerade erst trocken, da war ich schon sehr froh, wenn ich mir das Auto mal leihen durfte. Und der Twingo, den ich so hässlich fand, fuhr gut! Das äußere, woraufhin ich das Auto verurteilt hatte, war allem Anschein nach ein Teil des Erneuerungsdrangs von Renault. Der kleine Twingo hatte sehr viel Raum und allerlei kluge Erfindungen, die das kleine Auto zu höheren Ehren brachten.

Renault Twingo (2007 - 2014)

Der neue Twingo

Im Jahre 2007 ist die Situation etwas anders. Ich brauche nicht mehr zu betteln, um ein Auto leihen zu können. Autohersteller stehen nun Schlange, um ihre Autos an mich ausleihen zu können. So kann's gehen. Dank der guten Erfahrungen, die ich mit dem alten Twingo gemacht habe, fahre ich gerne mit dem neuen Exemplar.

Obwohl die Formgebung nicht halb so gewagt ist wie damals, scheint der Neuling nicht wirklich attraktiv zu sein. Zum Teil ist das der unglücklichen Fotografie des Herstellers zu verdanken. Auf den ersten Pressebildern stehen dunkle Autos in einer schlichtweg uninspirierenden Umgebung.

In echt sieht der Twingo aber sehr reizend aus! Vor allem in orangefarben sieht er toll aus, und die Linienformgebung wird durch diese Farbe hervorgehoben. Die Front ist charakteristisch für Renault, die Rückseite ist herrlich eigensinnig mit Linien gegen die Fahrtrichtung. Die hier getestete "GT"-Ausführung wird durch silberfarbige Schildchen beim Fernstrahler, silberfarbige Außenspiegel und einen schönen Dachspoiler (raten Sie mal in welcher Farbe?) verschönert. Die einzige Kritik an der Formgebung betrifft die Türhebel: Diese sind unbequem, und die Damen können ihre Fingernägel dran abbrechen.

Innenraum

Innen im Twingo herrscht dasselbe verwunderte Gefühl wie einst. Das Innere ist für das Äußere zu groß. Gefühlsmäßig kann so ein kleines Auto überhaupt nicht soviel Innenraum haben. Um die Vordersitze herum ist viel Bewegungsfreiheit, und dank der vielen Einstellmöglichkeiten bekommt ein jeder eine angenehme Sitzposition. Allerdings sind die Sitzflächen und Rückenlehnen zu kurz, was vor allem auf langen Strecken unbequem ist.

Renault Twingo (2007 - 2014)
Renault Twingo (2007 - 2014)

Der Rücksitz steht auf Schienen, um unabhängig von der Situation außergewöhnlich viel Beinraum oder auch mehr Gepäckraum zu haben. Leider ist die Hutablage unflexibel, wodurch ein Großes Loch entsteht, wenn der Rücksitz ganz nach vorne geschoben ist. Auf dem Boden des Gepäckraums liegt ein Behälter, der den Raum in Fächer teilt. Eine Abdeckplatte fehlt, und außerdem muss der Behälter aufrecht platziert werden, um den Rücksitz ganz nach hinten schieben zu können. Dass ist unbequem und reduziert den Gepäckraum auf Null.

Der Twingo ist nicht nur geräumig, sondern fühlt sich auch geräumig an. Das verdankt man dem tiefen Armaturenbrett und der weit nach vorn platzierten Windschutzscheibe. Die Messgeräte (Tachometer und Bordcomputer) sind in der Mitte angeordnet, das ist ruhiger für die Augen. Ein Fahrer schaut weit nach vorn zum übrigen Verkehr. Es ist dann bequemer, die Augen ab und zu auf die Anzeigen weiter weg auf dem Armaturenbrett zu fokussieren als näher ans Lenkrad. Der Drehzahlmesser ist keck auf die Lenkradsäule platziert, die dadurch vor allem als Ornament dient.

Grasteppich

Oben auf dem Armaturenbrett hinter dem Lenkrad liegt ein "Grasteppich". Diese Gleitschutzmatte mit Gummistachel ist dafür gedacht, kleine Gegenstände an ihrem Platz zu halten. Das hört sich in der Theorie gut an, aber in der Praxis funktioniert es kaum. Kleine Gegenstände sind kaum aus den Stacheln herauszubekommen, während größere Gegenstände stehen bleiben. Ein tragbares Navigationssystem bleibt zwar stehen, kann aber nicht abgelesen werden, weil es hinter dem Lenkrad verschwindet.

Renault Twingo (2007 - 2014)

Cleverer sind da schon die "organizer boxes". So sind eine Taschenlampe, ein Handyhalter und eine Make-Up-Dose lieferbar, die genau in den Becherbehälter passen. Seltsamerweise sind diese klugen Kleinigkeiten in nur ein paar Farben lieferbar, die sich immer mit der Lack- und Interieurfarbe des Autos beißen.

Der gebräuchliche Teil der Ausrüstung ist modern und vollständig. Eine Bluetooth-Telefonkupplung, ein Eingang für MP3-Spieler, ein Bordcomputer und sogar eine vollwertige Klimaanlage gehören alle dazu (je nachdem als Extra). Dank des Platzes und der großzügigen Standardausrüstung steht der Twingo den größeren Autos kaum in etwas nach. Durch die nachlässige Verarbeitung fühlt sich der Testwagen aber leider wie der billigste Renault an.

Renault Twingo (2007 - 2014)

Fahren

Als ich damals mit dem Twingo meiner Eltern fuhr, war es nicht das Äußere, sondern das Fahrverhalten, das mein Herz eroberte. Der neue Twingo fährt noch feiner als die vorige Generation. Die Lenkung ist direkt, scharf und flott. Dieses Auto fährt so wie ein kleines Auto fahren sollte: geschickt und lebendig. Der Twingo fühlt sich wohl in der Stadt und lässt sich schnell durch den belebten Verkehr lotsen.

Die Straßenlage ist gut. Auf Wunsch kann der Twingo bestialisch gut fahren. Die gute Straßenlage macht den Twingo nicht nur schön, sondern auch sehr sicher. Es ist ja gut zu wissen, dass das Auto nach einem plötzlichen Ausweichmanöver nicht sofort im Graben landet. Trotz der ausgezeichneten Straßenlage hat Renault auch für Komfort Platz gefunden, womit dieser Kleine mehr ist als nur ein kleines Stadtauto.

Turbo!

Das Beste kommt zum Schluss. Jeder Twingo ist geräumig und - teils optional - vollständig. Aber nur die hier gefahrene "GT"-Ausführung verfügt über einen ganz besonderen Motor. Die Kraftquelle hat nur 1,2 Liter. Dank des hinzugefügten Turbos sind die Leistungen mit denen eines 1,6- oder 1,8-Liter-Motors der Konkurrenz vergleichbar. Gleichzeitig ist der Verbrauch der eines 1,2-Liter-Motors.

Renault Twingo (2007 - 2014)

Der Turbomotor produziert 100 Pferdestärken und 145 Newtonmeter Zugkraft. Bei niedriger Drehzahl benimmt der GT sich wie ein normales kleines Auto, das gut im Verkehr mitkommt. Wenn die Nadel des Drehzahlmessers über die 3.500 Umdrehungen pro Minute kommt, erwacht der Turbo und wird die Motorleistung plötzlich größer. Erst hört man ein pfeifendes Geräusch unter der Motorhaube und dann rast dieser kleine orange Racker davon! Dank des lebendigen Charakters ist das Gefühl von Geschwindigkeit groß, und das macht die Sensation komplett.

Fazit

Die Geschichte wiederholt sich. Durch das fortschrittliche Äußere des vorigen Twingo unterschätzte ich dieses Auto gewaltig. Das eigensinnige nette kleine Auto von einst überzeugte schließlich mit ungeahnt viel Innenraum und ausgezeichnetem Fahrverhalten. Der neue Twingo hat eher eine etwas konservative Formgebung, und so erwartete ich diesmal wenig Platz für Erneuerungen. Wieder ist die Bekanntschaft eine angenehme Überraschung. Der neue Renault Twingo ist in jeder Hinsicht gelungen und hinterlässt einen positiven Eindruck.

Der Twingo sieht in echt viel besser aus, als auf den Bildern von Renault zu vermuten ist. Das Interieur ist bemerkenswert geräumig und mit den benötigten klugen Erfindungen ausgestattet, die den Alltag angenehmer machen. Die Ausrüstung ist komplett, aber die Verarbeitung lässt zu wünschen übrig. Das Fahrverhalten ist ausgezeichnet. Der Twingo ist gefügig, übersichtlich, sicher und lebendig: Genau das, was ein kleines Auto sein muss. Dabei liefert die hier gefahrene "GT"-Ausführung dank eines hervorragenden Turbomotors auch noch viel Fahrvergnügen. (Ivo Kroone)

plus
  • Lebendiges Fahrverhalten
  • Viel Raum (auch hinten!)
  • Ausgezeichneter 1.2 Turbo-Motor
minus
  • Kleine Vordersitze
  • Mäßige Verarbeitung
  • Undurchdachte Details