Renault Austral
Im Aufzug
Es ist Oktober und noch immer ist keine einzige Schneeflocke gefallen. Das ist vielleicht auch gut so, denn mit dem Austral hat sich Renault explizit für Luxus und Funktionalität auf Kosten von Leistung oder Geländetauglichkeit entschieden. Die Bodenfreiheit ist kaum größer als die eines durchschnittlichen Pkw, und der vordere Überhang ist nicht für die Bewältigung steiler Hänge gedacht.
Weltraum
Da der Austral als Familienauto für ein möglichst breites Publikum gedacht ist, sind seine Linien weniger gewagt als beispielsweise die des neuen Renault Megane. Dennoch wirkt der Austral modern und selbstbewusst. Um die Fans der Marke anzusprechen, gibt es den speziellen "Spirit Alpine", der wie die Sportwagen von Alpine gekleidet ist (Felgen, Nähte, Farben, Pedale).
Dank der hohen Bauweise ist der Einstieg einfach und der etwas höhere Sitz sorgt für einen guten Überblick über den Verkehr. Im Vergleich zum Vorgängermodell, dem Renault Kadjar, vermittelt der Austral durch seine Sitzposition und sein höheres Niveau an Raffinesse eher das Gefühl eines Luxus-Pkw. Das Armaturenbrett des Testwagens ist zum Beispiel mit echtem Holz und edlen Stoffen verkleidet. Das Platzangebot vorne und hinten ist für ein Auto dieser Größe durchschnittlich. Sehr praktisch ist der hintere Sitz auf Schienen, der auf einer Strecke von 16 cm verstellbar ist. Je nach Situation ermöglicht dies mehr Beinfreiheit im Fond oder mehr Gepäckraum.
Anstelle der traditionellen Uhren verfügt der Austral über ein großes (12-Zoll-)Display hinter dem Lenkrad. In der Mitte des Armaturenbretts befindet sich ein ebenso großes, aufrechtes Display. Für die dringend benötigte Frischluft ist hinter dem Lenkrad eine Lüftungsöffnung versteckt. Da dies nicht zu sehen ist, scheinen die beiden Bildschirme ein Ganzes zu bilden. Dabei haben die Designer auch viel Arbeit in die Menüs und Dialoge gesteckt, die auf diesen Bildschirmen erscheinen.
Android Automotive
Renault hat sein Audio-, Kommunikations- und Navigationssystem in Form von "Android Automotive" an Google ausgelagert. Das ist eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass Android Renault zwar kostenlos zur Verfügung gestellt wird, der Nutzer aber mit seinen persönlichen Daten dafür bezahlt. Alternativ kann auch ein neuer Benutzer für das Fahrzeug angelegt werden, für den Android deaktiviert ist. Dann kann der Nutzer sein eigenes Smartphone als Gehirn des Autos verwenden.
Wenn sich der Nutzer für Android Automotive entscheidet, ist das System sehr schnell und es steht ein äußerst intelligenter digitaler Assistent zur Verfügung, der Sprachbefehle versteht. Weniger praktisch ist, dass einige Einstellungen des Fahrzeugs über Android und einige über Renault vorgenommen werden. Für den Fahrer ist nicht immer klar, wer sich um welche Funktion kümmert.
Der Klang des Harman Kardon-Audiosystems im Testwagen ist satt und klar. Sie ist jedoch nicht leistungsstark. Und wenn wirklich viel verlangt wird, klappert das ganze Interieur
Hybride
Unabhängig von der Wahl des Motors ist der Austral immer ein Hybrid. In der einfachsten Version ist es ein "Mildhybrid". Das steht für einen kleinen Hilfsmotor, der kurzzeitig unterstützen kann, indem er die beim Bremsen und Ausrollen zurückgewonnene Energie nutzt.
Der Testwagen ist ein "Parallel-Hybrid", der auch beim Bremsen und Ausrollen Energie zurückgewinnt, aber dank einer viel leistungsfähigeren Batterie (2 kWh, 400 Volt) und eines stärkeren Elektromotors auch kurze Strecken rein elektrisch zurücklegen kann. Der Fahrer muss dafür nichts tun, darf es aber. Renault ist einer der wenigen Autohersteller, bei denen der Fahrer eines regulären Hybridfahrzeugs selbst bestimmen kann, wie viel Energie beim Loslassen des Gaspedals zurückgewonnen wird. Dabei wird umso mehr Energie zurückgewonnen, je stärker das Auto zurückhält. Diese Zurückhaltung mag gewöhnungsbedürftig sein, wird aber schließlich sogar als Vorteil empfunden, weil sie das Fahren mit nur einem Pedal ermöglicht. Außerdem hat der Fahrer mehr Einfluss auf die Energieverteilung, was eine wirtschaftlichere Fahrweise ermöglicht.
Der brandneue 1,2-Liter-Dreizylinder-Benzinmotor hat den für ein solches Aggregat charakteristischen rumpelnden Klang. Das beeinträchtigt das schicke Aussehen des Wagens ein wenig, wird aber keineswegs als störend empfunden. Das Zusammenspiel der beiden Motoren ist harmonisch, d.h. der Wechsel von einer Stromquelle zur anderen ist nicht spürbar. Nur im Sportmodus fällt auf, dass beide Motoren zusammen 200 PS / 205 Nm leisten. Der Austral ist zwar nicht besonders schnell, aber die mittlere Beschleunigung bei hoher Geschwindigkeit geht in Ordnung.
Auf einer Strecke mit niedriger Geschwindigkeit und in großer Höhe wurde ein Durchschnittsverbrauch von 5,8 Litern pro 100 km erreicht. Das ist zivilisiert, aber kaum besser als ähnliche Autos mit viel einfacherer Technik. Der Hauptkritikpunkt ist jedoch die Funktionsweise des Automatikgetriebes. Dies geschieht mit einem Hebel rechts vom Lenkrad, oberhalb der Hebel für die Scheibenwischer und das Audiosystem. Weil so viele Hebel so dicht beieinander liegen, wurden während des Tests regelmäßig die Scheibenwischer eingeschaltet, während der Testfahrer den Rückwärtsgang einlegen wollte.
Straßenlage
Da der Austral ein Familienauto sein soll, wurde auf ein auffälliges Handling verzichtet. Die Federung ist nicht zu hart, nicht zu weich und vor allem sehr fehlerverzeihend. Trotz der hohen Bauweise und des damit verbundenen hohen Schwerpunkts ist die Straßenlage gut.
Mit dem optionalen "4Control" ist der Austral viel mehr als ein durchschnittliches lenkbares Familienauto. Damit lenken die Hinterräder bei hoher Geschwindigkeit gegen und machen den Austral stabiler. Bei niedriger Geschwindigkeit lenken die Hinterräder mit, was den Wendekreis (10,1 Meter) deutlich verringert. Und nicht nur das: Mit 4Control fühlt sich der Austral kleiner, wendiger und damit sportlicher an!
Schlussfolgerung
Wie sportlich ist der Renault Austral? Das hängt von der gewählten Version ab. Das Design ist modern und strahlt Selbstbewusstsein aus, ohne den Austral athletisch oder muskulös wirken zu lassen. Wer einen Bezug zu Renault oder zum Motorsport hat, dem könnte der hier gefahrene "Esprit Alpine" gefallen, der mit einer speziellen Verkleidung auf die sportliche Automarke anspielt.
Der Hybridantrieb sorgt für bessere Leistung, mehr Komfort und geringeren Verbrauch, ohne dass der Fahrer etwas dafür tun muss. Die zusätzlichen Kosten für diese elektrische Unterstützung sind minimal, so dass sich die Investition in kurzer Zeit amortisiert. Allerdings kann der Hybridantrieb nicht mit der Agilität, der Geräuscharmut und den niedrigen Kilometerkosten eines vergleichbaren reinen Elektroautos
mithalten.
Obwohl der Austral wie ein Luxus-Geländewagen aussieht, ist er in Wirklichkeit ein Familienauto. Deshalb wurde er für eine gutmütige Handhabung und viel Bedienungskomfort ausgewählt. Wer will, kann über "4Control" eine Dosis Dynamik hinzufügen. Kurzum: Der SUV ist auf dem Vormarsch und mit dem Austral schließt sich Renault diesem Trend geschickt an.
- Geräumig und praktisch
- Mehr Dynamik und kleinerer Wendekreis mit 4Control
- Geschmeidiger, starker, süffiger Hybrid-Antriebsstrang
- Verwirrend viele Hebel am Lenkrad
- Datenschutzbedenken bei Android Automotive