Nio ET7
Das Versprechen eines neuen Tages
Die Geschichte von Nio beginnt vor acht Jahren. Ein erfolgreicher chinesischer Geschäftsmann hatte eine Familienerweiterung, und von da an begann er, über die Zukunft nachzudenken. William Li ist der Meinung, dass der Klimawandel die größte Herausforderung für die nächste Generation darstellt, und er hat sein Kapital eingesetzt, um dieses Problem zu lösen. Li gründete ein Unternehmen, bei dem es darum geht, umweltfreundlich zu sein und die Menschen in seine Bemühungen einzubeziehen. Dieses Konzept ist in China inzwischen so erfolgreich, dass das Unternehmen Fans hat, die Li bewundern, wie die Gründer von Apple und Tesla bewundert werden.

ET7
Das renommierte Unternehmen expandiert nun nach Europa und beginnt mit seinem Spitzenmodell: dem Nio ET7 (Emotional Tourer", Größe 7 von 10). Von der Größe her bewegt sich der ET7 zwischen der Oberklasse (Audi A6, Mercedes E-Klasse) und dem Premiumsegment (A8, S-Klasse). Trotz seiner minimalistischen Linienführung strahlt der ET7 aus, dass es sich um ein elektrisches und vor allem innovatives Auto handelt.
Im Innenraum stehen Technik und Umweltfreundlichkeit im Vordergrund. Die Sitze sind mit veganem Leder gepolstert, die Dekoration besteht aus schnell nachwachsendem Rattan. Die Verarbeitungsqualität ist gut. Das Platzangebot vorne ist hervorragend, das Platzangebot hinten sogar überwältigend. Dies ist darauf zurückzuführen, dass chinesische Kunden es vorziehen, gefahren zu werden. Die große Beinfreiheit im Fond geht allerdings auf Kosten des Kofferraums, der deutlich kleiner ist als bei den europäischen Konkurrenten. Schade: Es gibt keinen speziellen Platz für Ladekabel und keinen Stauraum unter der Motorhaube.
Fahrcomputer
Bei den traditionellen Automobilherstellern steht die Mechanik immer noch an erster Stelle und macht langsam Platz für die digitale Technologie. Nio gehört zu den Newcomern, bei denen der Computer im Mittelpunkt steht und die Mechanik nur eine notwendige Grundlage ist. Eine der Spezifikationen, mit denen der ET7 beeindruckt, ist seine Rechenleistung. Mit 48 generischen Recheneinheiten, 256 Tensor-Einheiten der 3. Generation und 8096 CUDA-Einheiten ist der ET7 ein treibender Computer, der für 1016 TOPS gut ist. Das mag dem traditionellen "Petrolhead" nicht viel sagen, aber Computer-Nerds (wie das Autozine-Redaktionsteam) sind definitiv davon begeistert!
Nachdem ein Auto verkauft wurde, ist es schwierig, Teile zu ersetzen, während Software im Laufe der Zeit verbessert werden kann. Durch die Ausstattung des ET7 mit allen erdenklichen Sensoren und einem Überschuss an Rechenleistung zur Verarbeitung der Daten ist das Auto schon jetzt für die Zukunft gerüstet.
Die meisten Funktionen werden über das zentrale Display gesteuert und... Nomi. "Nomi" ist ein künstlich intelligenter, sprachgesteuerter Assistent. Es hat eine Persönlichkeit in Form eines Gesichts bekommen, das zentral auf dem Armaturenbrett sitzt. Sobald jemand einsteigt, wendet sich Nomi dieser Person zu und begrüßt sie enthusiastisch. Oder eher übertrieben enthusiastisch, denn die englische Stimme klingt wie ein panischer Optimist, der ständig auf einer Mischung aus Helium und XTC ist. Positive Energie ist schön, aber diese fröhliche Dame passt nicht zum Bild, das der Rest des Wagens vermittelt.
Für die Intelligenz, die hinter Nomi steht, greift Nio nicht auf einen bestehenden Anbieter zurück. Daher beschränkt sich Nomis Wissen im Moment auf die Bedienung des Autos. Alles, was darüber hinausgeht (Abrufen von Informationen, Herstellen von Verbindungen zwischen Befehlen), wird mit "Ich verstehe es jetzt nicht, aber wir arbeiten ständig an Verbesserungen, also versuchen Sie es später noch einmal" beantwortet. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels ist Nomi also der dümmste aller im Umlauf befindlichen intelligenten Assistenten. Dank der enormen Rechenleistung könnte sich dies jedoch in Zukunft schnell ändern.

Auch das Audio-, Kommunikations- und Navigationssystem wurde komplett selbst entwickelt (Kartenmaterial vom Anbieter "Here"). Da Nio ein eigenes "Ökosystem" aufbauen will, in dem die Kunden alle erdenklichen Dienste erwerben können, verzichtet der Hersteller ausdrücklich auf die Unterstützung von Apple CarPlay und Android Auto. Bei dieser ersten Einführung funktionierte das Infotainment-System zwar einwandfrei, aber mehr als durchschnittlich.
Ein Feature ist besonders innovativ: die eigene Interpretation einer Virtual-Reality-Brille, genannt "PanoCinema". Wenn der Beifahrer diese trägt, ist es, als ob ein 3 Meter breiter Bildschirm vor dem Auto schwebt, während alles, was im und um das Auto herum passiert, ebenfalls zu sehen ist. Dies ermöglicht das Ansehen von Filmen in hoher Qualität während der Fahrt, ohne dass das Risiko von Übelkeit im Auto besteht. Leider stand zum Testzeitpunkt nur ein Demofilm zur Verfügung, dessen Bild- und Tonqualität jedoch hervorragend ist.
Und was den Klang angeht: Das Audiosystem besteht aus 23 Lautsprechern und kann Dolby Atmos (7.1.4-Kanal) wiedergeben. Wenn jedoch ein altmodisches Stereosignal angeboten wird, sind all diese Lautsprecher und Filter nichts wert und der Klang des Audiosystems ist nicht mehr als "ausreichend".
Selbstfahrendes Auto
Die enorme Rechenleistung ist in erster Linie für selbstfahrende Funktionen gedacht. In China genügt es, eine Adresse einzugeben, woraufhin der ET7 selbstständig zum Zielort fahren kann. In Europa ist dies jedoch rechtlich noch nicht möglich. Die 33 (!) Sensoren werden also nur noch dazu verwendet, Daten zu sammeln, mit denen das künstlich intelligente Modell für europäische Straßen und europäische Verkehrssituationen trainiert werden kann. Wem das nicht gefällt, der kann diese Funktionen abschalten.
In Europa ist der ET7 vorerst auf die Unterstützung des Fahrers beschränkt. Das Display hinter dem Lenkrad zeigt schematisch an, was die Sensoren erkennen, was in der Regel sehr ausreichend ist. Lkw, Pkw, Radfahrer und Fußgänger werden ebenfalls klar unterschieden. Dennoch reagierte das System während des Tests häufiger falsch als richtig. Wenn der Fahrer auf der Autobahn eine lange, sanfte Kurve steuert, versucht die Elektronik, dies mit kurzen, schwerfälligen Lenkbewegungen zu "korrigieren". Auf einer Landstraße ohne Mittellinie lenkte der ET7 immer auf die Mitte zu, als ob es sich um eine besonders breite Fahrspur handelte. Jedes entgegenkommende Auto musste dann korrigiert werden, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden.
Umgekehrt hat der Assistent nicht genau dann geantwortet, wenn er es sollte. Auf der Autobahn bog ein Motorrad mit geringer Geschwindigkeit ab, ohne sich umzuschauen, und der Computer reagierte nicht. Es war die Aufgabe des Testfahrers, einen Unfall zu vermeiden. Kurzum: Die Selbstfahrfunktionen mögen sich in China bewährt haben, aber in Europa ist der ET7 definitiv noch nicht bereit, das Steuer zu übernehmen.

Elektroauto
Der ET7 ist ein 75- oder 100-kWh- (und später 150-kWh-) Batterie-Elektroauto. Dies ergibt eine Reichweite von 445 oder 580 km. Der Ladevorgang an einem Schnellladegerät von 0 auf 80 % dauert 33 bzw. 45 Minuten.
Wenn das zu viel Zeit in Anspruch nimmt, hat Nio eine Alternative: den Batteriewechsel! An mehreren Batteriewechselstationen in Europa (siehe Foto) kann der gesamte Batteriesatz innerhalb von 5 Minuten ausgetauscht werden. Dieses Konzept ist sicherlich nicht neu, aber Nio interpretiert es ein wenig anders. Der ET7 hat eine große Reichweite und kann schnell aufgeladen werden. Daher ist der Batteriewechsel nur eine Option und keine Notwendigkeit. Darüber hinaus kann die Technologie in der Zukunft genutzt werden, um neue Batterietechnologien (z. B. Festkörperbatterien) einfach zu implementieren.

Leistung
Der ET7 ist für 644 PS / 850 Nm gut. Um dies zu nutzen, ist der Allradantrieb serienmäßig. Im Standardmodus ist der ET7 sanft, leise und äußerst komfortabel. In diesem Modus ist das Fahren entspannt und lange Strecken werden mühelos zurückgelegt. Im sportlichen Modus reagiert der ET7 etwas eifriger auf das Gaspedal, ohne dabei aufdringlich oder nervös zu werden.
Nur im extra sportlichen Modus ist die volle Leistung verfügbar. Außerdem ist sie sofort verfügbar. Sobald er dazu aufgefordert wird, entfesselt der ET7 einen Tsunami an Energie aus seinen Elektromotoren, die Nase hebt sich leicht und die große Limousine schießt zielstrebig dem Horizont entgegen. Ab etwa 70 km/h wird eine Extraportion Sprintkraft freigesetzt und die Insassen bekommen einen leichten Tritt in den Hintern. Die Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ist nicht nur viel höher als bei den meisten anderen Elektroautos, sie wird auch mit einer kindlichen Leichtigkeit erreicht.
Gegenüber der Motorgewalt befinden sich starke Bremsen, die dieses Ungetüm aus Warpgeschwindigkeit in kurzer Zeit zum Stehen bringen. Obwohl der ET7 immer spürbar schwer ist (2,4 Tonnen), sind die Bremsen leistungsfähig und leicht zu dosieren. Natürlich hält sich der ET7 zurück, wenn das Gaspedal losgelassen wird, um Energie zurückzugewinnen. Diese ist jedoch nicht so stark, dass ein Pedal gefahren werden kann. Ein Manko, was Autozine betrifft.
Straßenlage
Der gewählte Fahrmodus bestimmt nicht nur die Leistung, sondern auch das Fahrverhalten. Da der ET7 serienmäßig mit einer Luftfederung ausgestattet ist, ist der Unterschied zwischen dem komfortablen und dem sportlichen Modus viel größer als bei Fahrzeugen mit reinen Stahlfedern.
Doch in dieser Hinsicht unterscheidet sich der ET7 kaum von anderen großen Elektroautos. Bei Nio dreht sich alles um die Software, und die Mechanik ist nichts weiter als eine Basis, die dem Establishment ebenbürtig sein sollte.

Fazit
Hat das Nio ET7 das Zeug dazu, die Welt außerhalb Chinas zu erobern? Nach einer Probefahrt ist die Antwort ein vorsichtiges "Ja". Diese Vorsicht ist angebracht, denn alles, was den ET7 einzigartig macht, konnte nicht getestet werden (einfache Nachrüstung von Komponenten), befindet sich noch in einem frühen Stadium (intelligenter Assistent) oder ist in Europa noch nicht zugelassen (selbstfahrende Funktionen).
Daher geht es in dieser ersten Einführung hauptsächlich um die grundlegenden Funktionen. In puncto Verarbeitungsqualität, Handling und Antriebstechnik ist der Nio bereits auf dem Niveau der etablierten Ordnung. Die bestehende Ordnung wird jedoch dort enden. Nio gehört jedoch zu den Marken, bei denen die Mechanik nur die Basis ist und die Software den Unterschied macht. Und gerade weil Software leicht anpassbar ist, können alle Versprechen auch in Zukunft erfüllt werden. Daher auch der Name, denn "Nio" bedeutet auf Chinesisch "ein neuer Tag".
- Innovativ
- Sehr schnell
- äußerst komfortabel
- Selbstfahrende Funktionen machen mehr falsch als richtig
- Der intelligente Assistent ist noch nicht sehr intelligent
- Relativ kleiner Kofferraum und kein Stauraum unter der Motorhaube