Mercedes-AMG GT
Lausbuben-Traum
Laut Mercedes-Benz ist der AMG GT nicht der Nachfolger von SLS und SLR. Diese waren reinrassige Sportwagen, und der AMG GT ist, wie der Name schon sagt, ein "Gran Turismo". Das steht für ein sportliches Auto, mit dem man lange Strecken fahren kann.Aber wer den Reaktionen von Außenstehenden nachgeht, kommt zu einem anderen Ergebnis! Weniger als fünf Minuten nach dem Beginn der Testfahrt wird bereits ein Fenster eines anderen Autos geöffnet, und der AMG GT wird auf der Autobahn fotografiert. Es wird das erste von vielen Malen sein.
Der Testwagen hat auch nicht gerade ein unauffälliges Aussehen. Es fängt bei dem sinnlichen (Aluminium-)Körper in weinroter Farbe an. Das "First Edition"-Paket, bestehend aus einem feststehenden Heckspoiler, einem Splitter vorne und einem Carbon-Dach in einer Kontrastfarbe, bekräftigen dies. Und dann gibt es noch den brüllenden Sound aus dem Dual-Auspuff, aber dazu später mehr.
Gran Turismo
Allerdings unterscheidet sich dieser Gran Turismo in der Tat von traditionellen sportlichen Zweisitzern. Diese haben in der Regel alle Arten von Luxus-Problemen, die dem AMG GT seltsam erscheinen. Zum Beispiel ist der Einstieg einfacher (keine Flügeltüren!), und der GT bietet viel Kopf- und Beinfreiheit. Ein Rücksitz ist nicht vorhanden, daher ist der Kofferraum größer als durchschnittlich (285 Liter).
Die Ausstattung ist mehr als komplett, mit allem Luxus und allen denkbaren Sicherheitssystemen, die bei einem Auto wie diesem zu erwarten sind. Dabei ist besonders das optionale Burmester-Audiosystem zu erwähnen, denn der Klang dieser Anlage ist ausgezeichnet.
Die ersten Kilometer verlaufen etwas ungewohnt, da Fahrer und Beifahrer fast auf der Hinterachse sitzen und auf eine enorme (Magnesium-)Motorhaube blicken.
Zugleich jedoch hat man eine gute Rundum-Sicht, und Manövrieren ist kein Problem; das kann bei Autos dieses Kalibers schonmal anders sein! Bremsschwellen sind kein großes Hindernis. Auch ist der AMG GT nicht so unglaublich breit, dass enge Gassen oder Parkhäuser eine größere Herausforderung sind als eine Rennstrecke. Was für eine Erleichterung!
Technik
Der Mercedes-AMG GT ist in zwei Varianten erhältlich. Die 'normale' Variante hat 462 PS / 600 Nm, die von uns gefahrene "S"-Version geht einen Schritt weiter und liefert 510 PS / 650 Nm. Diese Leistung kommt aus einem 4,0-Liter-V8-Twin-Turbo in der Front, der die Hinterräder antreibt (Gewichtsverteilung: 47/53).
Es hört sich aber so an, als ob sich der Motor im Heck befände. Das Geräusch in der Kabine wird nämlich vom tiefen Grunzen der riesigen Auspuffrohre dominiert. Bei niedrigen Drehzahlen erscheint es, als ob jeder Hub des Motors hörbar sei, als würde die Mechanik gegen vorsichtige Fahrer protestieren. Sobald die Geschwindigkeit erhöht wird, wird der Klang zu einem sonoren Dröhnen.
Die Reaktion auf das Gaspedal, der Charakter des Fahrgestells, die Schaltcharakteristik des Getriebes und die Unterstützung der Antiblockiersteuerung sind allesamt nach Wunsch einstellbar. Daher kann sich der GT wie ein gutmütiger Kraftprotz oder ein aggressives Rennmonster verhalten – und alles dazwischen sein.
Komfort?
Aber erwarten Sie niemals den Komfort eines luxuriösen Reisewagens! Auch im Komfort-Modus genügt ein leichtes Tippen auf das Gaspedal für eine kraftvolle Beschleunigung. Darüber hinaus muss bei feuchten Oberflächen schon vorsichtig beschleunigt werden, um sicherzustellen, dass der GT tatsächlich von einer Ampel wegkommt und nicht einfach nur durchdreht.
Im Komfort-Modus bleibt die Drehzahl auf der Autobahn begrenzt, so dass der GT sich auch für längere Strecken eignet. Der Motor darf dabei nicht aufdringlich sein; das prominente Abgasgeräusch und das Geräusch der Reifen (295 / 30ZR20 hinten) tragen dazu bei, dass der GT sehr anstrengend zu fahren ist.
Das Fahrwerk ist im Komfort-Modus bereits deutlich steifer als das der anderen durchschnittlichen Sport Coupés. Unregelmäßigkeiten der Straßen werden aber so gut absorbiert, dass der GT sich gerade noch für den täglichen Gebrauch eignet.
Nur die Lenkung ist wirklich "Gran Turismo": Der AMG GT lenkt standardmäßig so leicht, dass der Fahrer kein "feedback" übers Lenkrad bekommt. Die Bremsen können der Leistung des Motors sehr gut standhalten, allerdings nicht so aggressiv wie in reinen Sportwagen.
Sportwagen
Wählen Sie statt des "Komfort"- den "Sport"-Modus, treten Sie das Gaspedal tiefer, und der GT AMG wird wach. Wie schön das Versprechen eines "Gran Turismo" auch ist, ein Auto mit so viel Kraft und mit so einem hervoragenden Fahrgestell ist dafür gemacht, Leistung zu bringen!
Der Sprint von 0 auf 100 km/h dauert 3,8 Sekunden. Dies geht jedoch mit so stark durchdrehenden Rädern einher, dass ein Allradantrieb für eine deutlich bessere Leistung sorgen könnte. Gemäß Aussage von Mercedes-Benz macht der Heckantrieb das Auto aber pur und spektakulär, und es spricht sicherlich einiges dafür. Außerdem halten die elektronischen Sicherheitsvorkehrungen (sofern aktiviert) das Auto ordentlich in Schach.
Die Leistung ist nicht nur der Kraft des Motors zu verdanken, sondern auch der intelligenten Technik. Um die Leistung auch in den Kurven optimal nutzen zu können, wurde der AMG GT mit einer mechanischen Differentialsperre an der Hinterachse ausgerüstet. Der GT-S verfügt über eine elektronische Kopie, weil diese schneller reagiert und daher mehr Grip bietet (bzw. das Durchdrehen der Räder noch länger herauszögert).
Dabei trägt eine Sieben-Gang-Automatik mit Doppelkupplung (in Transaxle-Anordnung) zu sehr kurzen Schaltzeiten bei. Im Sportmodus wird Zwischengas gegeben, um zu verhindern, dass die Drehzahl kurz fällt (was spektakuläre "Pops" aus dem Auspuff ergibt). Da die Turbos nicht außerhalb, sondern innerhalb der V-Anordnung des Motors platziert sind, reagiert der GT auf jeden Befehl spürbar eifriger.
Letztlich sind es die wirklich hohen Geschwindigkeiten, mit welchen der AMG GT sich am besten beweisen kann. Dies ist eine Art von Fahrzeug, das genauso leicht von 150 auf 250 km/h wie von 50 auf 100 sprintet! Ausnahmsweise bricht der Mercedes-AMG mit dem "Gentlemen's Agreement", die maximale Geschwindigkeit von Sportwagen auf 250 km/h zu begrenzen. Der GT-S dreht zu atemberaubenden 310 km/h auf ...
Fazit
Neben all den schicken und eleganten Coupés, die von Mercedes-Benz angeboten werden, ist der AMG GT ein echter Rebell. Der Name "Gran Turismo" ist daher etwas irreführend. Die Außenabmessungen und das Aussehen sind in der Tat zivilisierter, aber dies ist alles andere als ein zahmes Auto.
Wenn sich die gesamte Elektronik im Komfort-Modus befindet, eignet sich der GT für den Alltag. Darüber hinaus ist der GT frei von jeglicher Art von Luxus-Probleme, mit welchen reinrassige Sportwagen geplagt sind (unübersichtlich, unpraktisch und ein horrender Verbrauch).
Dennoch kommt der AMG GT nur zur Geltung, wenn er sportlich gefahren wird. Dann bieten die Leichtbau-Karosserie, die perfekte Gewichtsverteilung und der niedrige Schwerpunkt eine hervorragende Straßenlage. Der V8-Biturbo-Motor liefert genügend Leistung, um selbst die wildesten Träume wahr werden zu lassen. Denn während ein Sport Coupé von Mercedes-Benz bereits ein Jungen-Traum ist, ist der Mercedes-AMG ein echter Lausbuben-Traum!
- Sehr schnell
- Auch für den alltäglichen Gebrauch
- Keines der bekannten Supercar-Nachteile
- Zu leichte Lenkung
- Laut und ermüdend auf langen Strecken