Kia EV3
Jetzt auch für die Mittelklasse
Kia möchte, dass jedes Modell seinen eigenen Charakter hat, auch wenn es dem Stil der Marke entspricht. Der Stil von Kia heißt "Opposites Unite", was bedeutet, dass Kia Gegensätze vereinen will. Das trifft auf diesen mittelgroßen SUV im wahrsten Sinne des Wortes zu, denn solche Autos müssen abenteuerlich aussehen, und das wird oft durch eine hohe Bauweise, eine robuste Nase und eine große Bodenfreiheit erreicht. Um ein Auto effizient zu machen, ist es jedoch wichtig, dass es stromlinienförmig ist, und das steht im Widerspruch zu den oben genannten Faktoren. Um dieses Problem zu lösen, hat Kia geschickt Falten im Blech eingesetzt, die Flächen größer oder kleiner erscheinen lassen, als sie sind. Die vielen schwarzen Kontraste akzentuieren Teile und geschickt gewählte asymmetrische (!) Formen bringen Dynamik in die Linienführung. Die günstige Stromlinienform beginnt bei der Grundform, denn der EV3 ist vorne breiter als hinten. Sie endet bei Details wie den eingelassenen Türgriffen, den Luftleitblechen an den Vorderrädern und dem Spoiler über der Heckscheibe.
Aus Sicht von Autozine ist das Endergebnis mehr als gelungen. Der EV3 ist modern und futuristisch, hebt sich von bestehenden Angeboten ab und ist dem ursprünglichen Konzeptfahrzeug treu geblieben. Zwischen einem ursprünglichen Konzept und dem endgültigen Produktionsmodell liegen oft große Unterschiede, weil Teile zu teuer sind, technisch schwierig zu realisieren oder die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen. Beim EV3 ist deutlich zu sehen, dass die ursprüngliche Idee der Designer intakt geblieben ist.
Platz
Kia hat die Windschutzscheibe so weit wie möglich nach vorne verlegt, um ein Maximum an Platz im Innenraum zu schaffen. Dennoch ist die Nase nicht so kurz und stromlinienförmig wie beispielsweise bei einem Volkswagen ID.3. Das liegt daran, dass der EV3 einen Vorderradantrieb hat und die gesamte Elektronik unter der Motorhaube untergebracht ist. Das bedeutet, dass sich sogar die Ladebuchse an der Vorderseite befindet. Trotz der Tatsache, dass sich die gesamte Technik vorne befindet, hat Kia unter der Motorhaube noch 25 Liter Stauraum untergebracht, praktisch zum Beispiel für Etikettenkabel.
Der EV3 sieht nicht nur von außen wie ein Elektroauto aus, auch innen unterscheidet er sich deutlich von einem herkömmlichen Kia. Wo immer es möglich war, wurden Stoffe anstelle von Plastik verwendet, was ein warmes, wohnliches und gleichzeitig futuristisches Gefühl vermittelt. 28,5 kg der Rohstoffe sind recycelte Materialien, und auf dem Armaturenbrett befindet sich ein QR-Code, der zu einer Website führt, auf der erklärt wird, woher die Materialien stammen. Das Wichtigste ist jedoch, dass alles hochwertig aussieht und sich auch so anfühlt und in keiner Weise herkömmlichen Materialien nachsteht.
Dank der hohen Bauweise ist der Einstieg einfach und die Sitze sind hoch. Das Platzangebot im vorderen Bereich ist gut, wobei ein einzigartiger ausziehbarer Tisch für das gewünschte Wohnzimmergefühl sorgt. Dabei ist die Kabine bemerkenswert breit, so dass der EV3 größer wirkt, als er tatsächlich ist. Die Rückenlehnen der Vordersitze sind gewölbt, so dass die Beinfreiheit im Fond zwar ausreichend ist, die Kopfstütze aber unangenehm nahe an das Gesicht des Fondpassagiers herankommt (ähnlich wie bei einem Flugzeug, bei dem der Sitz zurückgelehnt wird). Außerdem besteht die Rückseite der Vordersitze aus hartem Kunststoff, was für die Knie der Fondpassagiere unangenehm ist.
Ausstattung
Ein Bildschirm erstreckt sich von der Rückseite des Lenkrads bis zur Hälfte des Armaturenbretts. Es besteht aus drei miteinander verbundenen Displays und wurde unverändert aus dem Flaggschiff von Kia, dem EV9, übernommen. Für den EV3 wurde jedoch die Software (basierend auf LGs WebOS) weiterentwickelt. Der Routenplaner kann nun intelligentere Ladestopps einplanen, wenn die Strecke länger ist als die Batterie reicht. Bisher ging der Routenplaner davon aus, dass der Akku überall zu 100 % aufgeladen wird. Jetzt kann der Computer vorschlagen, nur einige Minuten aufzuladen, wenn dies effizienter ist.
Das Infotainment-System ist gut durchdacht und nutzt den verfügbaren Platz auf dem Bildschirm geschickt aus. Um sich die Zeit während des Ladens zu vertreiben, stehen Spiele zur Verfügung. ChatGPT ist integriert, um den Insassen während der Fahrt Fragen zu allen erdenklichen Themen zu stellen. Außerdem kann dieser intelligente Assistent das Navigationssystem programmieren und die Klimaanlage steuern. Die versprochene Verbindung mit TripAdvisor kam während des Tests nicht zustande. Auf die Frage nach dem besten Hotel oder Restaurant in der Nähe erschien immer nur eine Liste von Zielen für das Navigationssystem und nicht der gewünschte Tipp. Das "Premium"-Audiosystem von Harman Kardon hat einen geräumigen und strahlenden Klang.
Weil es von der Europäischen Union vorgeschrieben ist, warnt der EV3 vor jedem Fehler und jeder Unachtsamkeit. Kia geht dabei jedoch über das Notwendige hinaus und bietet nur minimalen Spielraum. Außerdem ertönt bei jedem erkannten Verkehrsschild ein akustisches Signal. All das reicht aus, um einen vernünftigen Menschen innerhalb einer Fahrt zur Verzweiflung zu treiben. Zum Glück hat ein kluger Kopf bei Kia dafür gesorgt, dass die Systeme auf Knopfdruck stummgeschaltet werden können.
Elektroauto
Kia geht davon aus, dass der EV3 für viele Käufer das erste Elektroauto sein wird. Deshalb hat der EV3 eine überdurchschnittliche Reichweite, um die Bedenken hinsichtlich der Reichweite auszuräumen. Der EV3 basiert auf einer neuen Plattform und ist das erste Fahrzeug, das eine neue Generation von Batterien des Herstellers LG verwendet. Die Basisversion verfügt über eine 58 kWh-Batterie, mit der theoretisch 410 km zurückgelegt werden können. Das Spitzenmodell verfügt sogar über eine 81-kWh-Batterie, die für eine theoretische Reichweite von 600 km gut ist! Bei unserem Test unter günstigen Wetterbedingungen waren es 541 km. Das Aufladen kann mit 11 kW an einer öffentlichen Ladestation und mit bis zu 128 kW an einem Schnellladegerät (unter idealen Bedingungen) erfolgen.
Unabhängig von der gewählten Batterie liefert der EV3 immer 204 PS / 283 Nm. Kia sorgt dafür, dass diese Leistung immer zur Verfügung steht. Sowohl aus dem Stand als auch bei hoher Geschwindigkeit reagiert der EV3 sofort und eifrig auf das Gaspedal, was das Auto sehr schnell erscheinen lässt. Allerdings beschränkt sich dies auf kurze Zwischensprints. Im Verhältnis zum hohen Gewicht ist auch die Leistung nicht ausreichend, um die Performance zu halten.
Für Autozine ist das eine kluge Entscheidung, denn zusammen mit der modernen Batterietechnologie, der innovativen Steuerung des Elektromotors und den vielen Möglichkeiten zur Energierückgewinnung ist der EV3 äußerst sparsam (Testverbrauch 14 kWh / 100 km). Der Fahrer kann wählen, wie stark der EV3 beim Loslassen des Gaspedals regeneriert und damit wie viel Energie zurückgewonnen wird. Dabei steht ein automatischer Modus zur Verfügung, der anhand von Radar (Abstand zu anderen Objekten) und Navigation (Kenntnis der Umgebung) bestimmt, wie stark das Auto beim Loslassen des Gaspedals bremst. In der Praxis funktioniert dies jedoch zu langsam und die Elektronik macht zu viele Fehler. Deshalb wurde das Auto hauptsächlich im "iPedal"-Modus gefahren, in dem der EV3 maximal abbremst und sich so beim Loslassen des Gaspedals maximal erholt.
Fahrverhalten
Die vielleicht größte Stärke des EV3 ist sein Fahrverhalten. Wie bei den meisten anderen Elektroautos bestimmt die schwere, aber tief und zentral platzierte Batterie das Fahrverhalten. Der EV3 ist daher bereits von Haus aus stabil, während seine kompakte Bauweise die Wendigkeit gewährleistet.
Kia geht jedoch mit einer fortschrittlichen Aufhängung noch einen Schritt weiter. Horizontale Bewegungen werden nicht durch Gummi oder Kunststoff, sondern durch einen flüssigkeitsgefüllten Mechanismus aufgefangen. Vertikale Bewegungen werden von Stoßdämpfern aufgefangen, die je nach Frequenz mehr oder weniger stark dämpfen. Bisher waren diese Stoßdämpfer zu groß für einen Kleinwagen, aber diese dritte Version der "Smart Frequency Comfort Dampers" von Kia passt auch in den kompakten EV3. Auf schlechten Straßen bietet der EV3 daher überdurchschnittlichen Komfort, während die Stabilität auf der Autobahn gut ist. Doch dieses System birgt auch ein Risiko in sich. Da das Auto unter verschiedenen Bedingungen unterschiedlich reagiert, kann der Fahrer gelegentlich von seinem Fahrverhalten überrascht werden. Insgesamt bietet der EV3 dank der breiten Karosserie und der fortschrittlichen Aufhängung die Laufruhe und Raffinesse von viel größeren Autos.
Fazit
Mit dem EV3 ist Kia etwas Besonderes gelungen. Er hat das unverwechselbare Design und die fortschrittliche Technologie der größeren Modelle in die Mittelklasse gebracht. Damit hebt sich der EV3 in jeder Hinsicht von der Mittelmäßigkeit ab.
Die Ausstattung ist genauso fortschrittlich wie bei den größeren Modellen und je nach gewählter Version auch genauso komplett. Dank seiner maßgeschneiderten Plattform hat der EV3 Platz für sehr große Batterien, was eine überdurchschnittliche Reichweite garantiert. Die große Reichweite ist auch auf den geringen Verbrauch zurückzuführen (moderne Materialien, intelligente Energierückgewinnung, günstige Stromlinienform). Der Elektromotor ist lebhaft und eifrig und lässt den EV3 schneller erscheinen, als er ist.
Dank einer hochentwickelten Federung und einer guten Geräuschdämmung bietet der EV3 den Komfort und die kultivierten Fahreigenschaften einer höheren Klasse. Kurzum: Der EV3 bündelt alle Qualitäten der viel größeren (und teureren!) EV6 und EV9 in einem kompakten Modell und bringt sie in die Mittelklasse.
- Große Reichweite
- Unverwechselbares Design
- Komfortabel und kultiviert wie ein größeres Auto
- Kleines Handschuhfach
- Harte Vordersitze hinten unbequem für Fondpassagiere
- Schräge Sicht nach hinten durch breite C-Säule eingeschränkt