Datum der Veröffentlichung: 10 April 2016
Infiniti Q50
Autotest

Infiniti Q50

Unbekannt macht ungeliebt

Autotest - Große Autohersteller haben große Marketingabteilungen. Wenn sie ein neues Auto auf den Markt bringen, wird sofort die Presse gerufen, um darüber zu berichten. Aber als der relativ kleine Infiniti 2014 den brandneuen "Q50" vorstellte, wurde dieser Wagen von Geschäftskunden und Autozine-Redakteuren gleichermaßen übersehen. Zeit zur Wiedergutmachung!

Infiniti ist eine so genannte "Premiummarke". Eine Premiummarke bietet ein Produkt mit der üblichen Funktionalität, aber von höherer Qualität. Diese Qualität kann sich im Design oder in hochwertigen Materialien zeigen. Bei einem Premium-Auto kommen fortschrittliche Technik und überdurchschnittliches Handling hinzu.

Aber eine relativ kleine Marke wie Infiniti muss sich noch mehr anstrengen, um sich als Premiummarke zu profilieren. Deshalb ist das Design auch viel extravaganter. Während sich deutsche Marken stets für klare Linien entscheiden, setzt die Luxusmarke von Nissan auf runde, fast organische Formen. Gleichzeitig wirkt die Frontpartie mehr als selbstbewusst und macht deutlich, dass dieser Geschäftswagen überdurchschnittliche Qualitäten besitzt.

Infiniti Q50

Ausrüstung

Und zu diesen Eigenschaften gehört auch die Ausrüstung. Bei vielen anderen Premiummarken beispielsweise ist der Preis in der Preisliste erst der Anfang der Verhandlungen. Als nächstes müssen Optionspakete gewählt werden, die zusammen so viel kosten wie ein kleines Stadtauto. Bei Infiniti ist das anders: Die gewählte Ausstattungsvariante bestimmt vor allem die Ausstattung, aber weniger die Ausstattung. Der Testwagen ist eine "Performance+"-Version und hat nur drei Optionen: ein Schiebedach, Metallic-Lackierung und eine Alarmanlage.

Die meisten der Luxus- und Sicherheitsmerkmale, die bei anderen Premium-Marken bestellt werden müssen, sind beim Q50 serienmäßig. Allerdings merkt man dem Q50 an, dass er schon einige Jahre auf dem Markt ist, denn Dinge wie ein Head-up-Display und ein DAB+-Tuner fehlen.

Infiniti Q50
Infiniti Q50

Infiniti schließt sich auch nicht dem neuesten Trend an, die Anzahl der Knöpfe und Hebel so weit wie möglich zu reduzieren. Im Gegenteil: Das Armaturenbrett hat eine beeindruckende Anzahl von Tasten und sogar zwei Bildschirme. Das obere wird immer für das Navigationssystem verwendet, während das untere die Menüs des Audiosystems, der Smartphone-Schnittstelle und der zahlreichen Sicherheitssysteme anzeigt.

Unterstützung

Denn wenn es einen Punkt gibt, in dem sich der Q50 von der Konkurrenz abhebt, dann sind es die vielen Systeme, die den Fahrer unterstützen. Dies ist der "Direkten Adaptiven Lenkung" zu verdanken. In der Regel führt eine Stange vom Lenkrad zu den Vorderrädern, die eventuell mit einem Elektromotor ausgestattet sind, um das Lenken zu erleichtern (Servolenkung). Der Infiniti Q50 ist das erste Auto, bei dem die Lenkstange durch einen Computer ersetzt wurde (obwohl in Notfällen auf eine Lenkstange zurückgegriffen werden kann).

Ein entscheidender Vorteil dieses Systems besteht darin, dass der Computer eine viel bessere Fahrunterstützung bieten kann. Obwohl Infiniti den Q50 nicht offiziell als selbstfahrendes Auto vorstellt, kann diese Limousine mehr Unterstützung bieten als selbst die teuersten Modelle anderer Marken!

Andere Marken geben zum Beispiel eine vorsichtige Lenkkorrektur, wenn der Fahrer nicht innerhalb der Linien der Fahrbahn bleibt. Die Versuchung ist dann groß, die Hände vom Lenkrad zu nehmen, aber eine Fehlermeldung erscheint und deaktiviert diese Hilfe. Aber nicht bei Infiniti! Infiniti bietet die Wahl zwischen einer zurückhaltenden und einer "eingreifenden" Lenkhilfe, und letztere kann ohne Protest lange Strecken lenken, solange die Kurven nicht zu scharf sind. Schade nur: Der Q50 bleibt nicht sauber in der Mitte der Fahrbahn, sondern "hüpft" unruhig zwischen den Linien auf der Fahrbahn.

Schutzschild

Der Q50 lenkt nicht nur selbst, sondern bremst auch selbstständig! Sobald das "Safety Shield" aktiviert ist, überwachen Sensoren die Umgebung des Fahrzeugs. Wenn das Gaspedal auf einer leeren Straße losgelassen wird, geschieht genau das, was zu erwarten ist (das Auto rollt aus). Aber wenn der Computer einen langsameren Verkehr vor dem Auto erkennt und das Gaspedal loslässt, bremst der Q50 stark ab, und dieser Infiniti kann aus eigener Kraft zum Stehen kommen. Dabei handelt es sich nicht um eine "Notbremsung" wie bei anderen Marken, sondern um eine reine Komfortfunktion (die auch unabhängig vom aktiven Tempomat funktioniert).

Es gehört schon etwas Mut und/oder Vertrauen in die Technik dazu, das Bremsen dem Auto zu überlassen, aber schnell stellt sich die Frage, warum nur Infiniti dies anbietet. Ist es nicht logisch, dass der Fahrer nicht mit anderen Autos zusammenstoßen will?

Infiniti Q50

Motoren

Der Grund dafür, dass Infiniti in Europa bisher nicht richtig Fuß fassen konnte (in Amerika und Russland ist Infiniti sehr erfolgreich), ist die Wahl der Motoren. Der 3,7-Liter-Benzinmotor ist die Standardmotorisierung aller Modelle. Die 320 PS, die dieser V6 leistet, sind ein wahres Vergnügen, aber Umweltbewusstsein und finanzieller Druck machen dem in Europa schnell ein Ende.

Deshalb ist der Q50 auch mit einem Hybrid- oder einem Dieselmotor erhältlich. Der Testwagen ist mit letzterem ausgestattet. Der 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel stammt zusammen mit dem Siebengang-Automatikgetriebe von Mercedes-Benz. Infiniti hat den Doppelturbolader durch einen Einzelturbolader ersetzt und ihn mit einer eigenen Software ausgestattet, um Einzigartigkeit zu erreichen.

Infiniti Q50

Das Ergebnis ist, dass der 2.2D immer noch eine gute Leistung liefert, aber nicht die in diesem Segment übliche Überlegenheit. Das ist kein Euphemismus für "langsam", denn aus dem Stand sprintet der Q50 in 8,7 Sekunden auf 100 km/h, um dann 231 km/h zu erreichen. Das kräftige Drehmoment von 400 Nm sorgt zudem für viel Laufruhe, so dass Zwischensprints auch bei hohen Geschwindigkeiten problemlos möglich sind. Der Unterschied besteht darin, dass der Q50 zwar gut abschneidet, seine Konkurrenten aber noch besser.

Straßenlage

Bei einem Auto mit einer Lenkstange ist das Verhältnis zwischen dem Einschlagen des Lenkrads und dem Einschlagen der Räder fest. Bei der Elektronik kann die Reaktion direkt oder indirekt erfolgen, aber das Verhältnis kann nicht variieren. Die elektronische Lenkung des Q50 erlaubt es, die Übersetzung zu variieren, weshalb der Unterschied zwischen komfortablem und sportlichem Modus größer ist als bei jedem anderen Auto.

Infiniti Q50

Die ungewöhnliche Lenkung hat auch einen Nachteil. Da es keine physische Verbindung zwischen den Vorderrädern und dem Lenkrad gibt, fehlt jegliches Gefühl für die Lenkung. Bei Fahrbahnunebenheiten oder Spurrillen zum Beispiel spürt man zwar, wie die Karosserie reagiert, aber nicht, welchen Widerstand die Vorderräder dadurch erfahren. Wenn das Auto dann auch noch selbst lenkt, ist das sehr unangenehm. Der Testfahrer verspürte sogar eine leichte Übelkeit. Kurzum: Probieren Sie es selbst aus!

Da der Motor die Hinterräder antreibt, unterscheidet sich auch das Gleichgewicht im Auto stark von dem einer typischen Limousine. Auf den ersten Blick wirkt der Q50 vertraut, aber wenn man ihn mutwillig fährt, tritt das Heck gerne zur Seite. Einmal mehr trifft Infiniti damit eine mutige Entscheidung, denn sie schreckt den lässigen Fahrer ab, während sie dem sportlich orientierten Autofahrer noch mehr Komfort bietet.

Infiniti Q50

Schlussfolgerung

Infiniti ist in Amerika und Russland erfolgreich, versucht aber seit Jahren vergeblich, in Europa Fuß zu fassen. Weil Infiniti hierzulande noch so klein ist, haben Autozine-Redakteure und Geschäftsleute den Q50 bisher übersehen. Und das ist schade, denn diese neue Limousine ist ein typischer Fall von "unbekannt macht ungeliebt".

Bei einer Probefahrt zeigt sich, dass es dem Q50 ein wenig an Raffinesse fehlt, aber technisch geht er tatsächlich über die etablierte Ordnung hinaus (ohne dass man für Optionspakete tief in die Tasche greifen muss). Darüber hinaus zeichnet sich der Q50 dank Hinterradantrieb und einzigartiger Lenkung durch eine betonte Sportlichkeit aus.

plus
  • Unverwechselbares Image
  • Fortschrittliche Technologie
  • Reichhaltige Ausstattung, auch ohne Optionspakete
minus
  • Leise, könnte aber leiser sein
  • Geringe (Bein-)Freiheit im Fond
  • Schlechte Klangqualität des Bose-Audiosystems