Corvette C6
Die Offenbahrung
Schlechter konnte Corvette es nicht treffen. Unterzeichneter mag keine arroganten amerikanischen Politiker, scheinheilige soziale Normen, heuchlerische amerikanische Glaubensfanatiker und alles, wofür Amerika steht. Dieser Autor macht Amerikaner, die kauend die englische Sprache verstümmeln, nur zu gerne lächerlich.
Für den Test mit der Corvette wurden also alle Stereotype aus dem Schrank geholt. Das Auto sollte in einem Armenviertel mit Mauern voller Graffiti fotografiert werden, im Hintergrund gerne das dampfende Logo einer Fastfoodkette. Vorzugsweise sollte das Auto in knallrot ausgeführt sein, mit extravaganten Aufklebern im Form von Flammen und amerikanischen Flaggen.
Bei der ersten Bekanntschaft wird ein Vorurteil bestätigt: Dieses Interieur ist für kleine Männer mit dickem Bauch gemacht. Große, schlanke Europäer haben nur wenig Kopfraum und müssen den Sitz in Liegestellung bringen, um in den Corvette hineinzupassen. Die Kopfstützen sind in die Sitze integriert und zu niedrig für Fahrer größer als 1,80 m.
Das erneuerte Armaturenbrett der neuen Corvette hat einen hohen Kunststoffgehalt. Das Interieur der Corvette strahlt nicht die Detailiertheit von europäischen Autos aus. Wenn der Fahrer auch nur daran denkt, einen Fehler zu machen, wird das mit einer herabwürdigenden Kopfnuss bestraft.
Erste Bekanntschaft
Aber damit ist es auch schon vorbei mit den Vorurteilen. Die Corvette weiß sich mit einem großen Gepäckraum positiv von der Konkurrenz zu unterscheiden. Die Ausrüstung ist komplett, und die Elektronik ist durchaus fortschrittlich. Viele Funktionen können mit Kommandos aktiviert werden. Die Corvette war einstmals das erste Auto mit "head up"-Display, und auch diese neueste Generation projiziert die Geschwindigkeit, die Drehzahl und sogar Hinweise des Navigationssystems in die Luft. Auf diese Weise kann der Fahrer immer die Augen sicher in Richtung der Straße halten.
Die ersten Kilometer mit der Corvette sind gewöhnungsbedürftig. Der Sitz ist zu niedrig, und das Auto ist extrem breit. Die Straßen scheinen spontan schmaler geworden zu sein! Die Motorhaube ist so groß, dass der Fahrer das Gefühl hat, hinten im Auto zu sitzen. Die sinnlichen Kanten der Karosserie sind klug: Es ist schwer abzuschätzen, wie groß die Corvette genau ist. Die (zu) kleinen Außenspiegel haben einen enormen Vergrößerungsfaktor, und auch das verlangt eine gewisse Gewöhnung. Es macht die Corvette sehr anders, aber sicherlich nicht schlechter.
Straßenlage
Schnell macht die Ungewöhnlichkeit Platz für Anerkennung. In Amerika ist die Corvette in drei Ausführungen lieferbar, aber nur die sportlichste davon kommt nach Europa. Außerdem wird diese Version mit einem kräftigeren Fahrgestell und noch direkterer Lenkung ausgestattet. Vor allem der hier gefahrene C6 wurde in diesem Punkt stark verbessert, und das spürt man. Die Lenkung und vor allem das Fahrgefühl rangieren auf der selben hohen Ebene wie bei renommierten europäischen Sportwagenherstellern.
Es dauert nicht lange, bis die Geschwindigkeit ins Spiel kommt und der Spaß größer wird. Die Corvette bleibt sehr lange neutral. Nur wer das Auto zielbewusst provoziert, wird mit klassischem übersteuern bedient (das Heck des Fahrzeuges bricht aus).
Durch das Dach
Jede Corvette hat ein offenes Dach, und das macht der Erleben intensiver. Das transparente Dachpanel des hier gefahrenen Coupés kann her ausgenommen werden und passt genau über den Gepäckraum (darunter bleibt Platz für Koffer). Bis zu 60 km/h ist die Corvette mit entferntem Dachpanel sehr komfortabel, bei darüberliegenden Geschwindigkeiten erzeugt die Heckscheibe den Effekt eines Windtunnels, durch welchen der Wind rast.
Wer gerne offen fährt, sollte sich besser für ein Cabrio eintscheiden. Das bietet ein größeres Gefühl von Freiheit und mehr Komfort mit geöffnetem Verdeck.
Das Biest geht los!
Wie es sich bei einem amerikanischen Sportwagen gehört, befindet sich unter der Motorhaube ein großer Motor, der dafür gebaut wurde, bei niedriger Drehzahl viel Leistung abzugeben. Wenn im Verkehr mitgefahren wird, liegt die Nadel des Drehzahlmessers faul unten in der Skala.
Ein leichter Tritt aufs Gaspedal reicht schon, um an den meisten GTIs vorbeizufahren. Bei nur 2.000 Umdrehungen pro Minute geht das Biest los. Dann frisst die Corvette schnelle Sportcoupés und schnelle Schräghecks. Das geht so einfach, dass die Corvette ein überlegendes Gefühl hervorruft, welches es nur bei echten Sportwagen gibt.
Monster
Aber ... ab 4.000 Umdrehungen pro Minute wird aus dem Biest ein wahres Monster. Dies ist ein vierköpfiger Drache, der Donner und Blitz aus den vier Auspuffrohren spuckt! Das Motorengeräusch ist brutal und mächtig, wie es nur ein Amerikaner kann. Dank des offenen Daches ist das Erlebnis noch Aufsehen erregender.
Die Corvette beschleunigt mit der Subtilität eines Trittes in den Rücken. Die Beschleunigung hört nicht auf, sogar bei 200 km/h macht die "Vette" Geschwindigkeit, als ob der übrige Verkehr stillstünde. Die Sensation hört erst bei flimmernden 306 km/h auf!
Wenn das Gas losgelassen wird, hält das Auto so abrupt ein, dass es scheint, als ob die Bremse getreten wird! Weil die Corvette etwa 250 kg leichter ist als vergleichbare Konkurrenten, holt dieser Amerikaner absolut erschlagende Leistungen aus den 437 Pferdestärken.
Ein weißer
Das ist kein falscher Amerikaner, sondern ein sublimer Sportwagen für intensiven Genuss. Alle Vorurteile können in den Mülleimer, alle große Bilderideen werden weggeworfen. Die Covette kommt am besten in einfachem weiß, ohne verdächtige Aufkleber. Dieses Auto gehört in eine moderne Umgebung und wird da fotografiert. Die Corvette konnte keinen besseren Testfahrer treffen: Er stieg voller Vorurteile ein und steigt als bekehrte Person aus!
Fazit
Corvette braucht nicht zu inserieren, der Markename ist überall bekannt. Aber Corvette kämpft in Europa schon mit vielen Vorurteilen. Eine ausgedehnte Bekanntschaft lehrt, dass die Vorurteile fast alle unbegründet sind. Die Formgebung und Vollendung verfehlen die europäische Verfeinung, aber dabei bleibt's. Die Ausrüstung, die Straßenlage und die Leistung sind sublim. Es ist ein purer Sportwagen, um jede Fahrt aufs Neue vollauf zu genießen!
Ob die Corvette auch besser ist als andere Sportwagen, ist natürlich Geschmackssache. Ein Engländer kann mit 200 km/h über die innerstädtischen Straßen jagen, er macht's aber gebildet. Ein italienischer Sportwagen kann den Einsassen einen Schrecken einjagen, aber er macht's stilvoll. Dieser Amerikaner lädt ein auf pure, brutale und unbändige Gewalt; das ist bei ein Auto wie diesem herrlich! (Ivo Kroone)
- Sensationell schnell
- Hervorragende Fahreigenschaften
- Vorteilhafter als direkte Konkurrenten
- Beschränkter Kopfraum
- Zu kleine Außenspiegel
- Gefährliche Kopfstütze für große Fahrer