Alfa Romeo 4C
Vollblut
Eins steht fest: Am Aussehen wird es nicht scheitern. Während der Fahrt bekommt man so manchen hochgereckten Daumen von anderen Fahrern zu sehen. Andere greifen zum Telefon und filmen mit einer Hand den 4C, während sie mit der anderen Hand ihr Auto steuern. Zu Beginn der Fotosession wollen so viele Passanten (und sogar ein Brautpaar!) mit 4C auf das Bild, dass der Fotograf von Autozine warten musste, bis das Auto frei war.
Und es gibt gute Gründe für all diese Aufmerksamkeit. Der Alfa Romeo 4C hat die gleichen perfekt gewählten Proportionen und die fast frivolen Linien eines astronomisch teuren Sportwagens. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der 4C ein wenig kleiner ist.
Letzteres ist sicherlich kein Nachteil, sondern eher das "Geheimnis" des 4C. Bei einem Sportwagen ist nicht der Motor entscheidend, sondern eher das Gewicht des Autos im Verhältnis zur Leistung. Da der 4C ein wenig kleiner ist, reicht auch ein kleinerer Motor aus, und der Preis hält sich in Grenzen. Darüber hinaus wurde auf jede mögliche Art und Weise am Gewicht gespart, um die Leistung zu verbessern. Zum Beispiel wurde der 4C weitgehend mit Kunststoff- und Kohlenstofffasern gebaut.
Interieur
Diese Gewichtsersparnis wird besonders im Inneraum deutlich. Hier gibt es keine üppigen Formen und edlen Materialien, sondern ein einfaches Armaturenbrett mit nur den erforderlichen Einrichtungen. Leider ist es den Designern nicht gelungen, aus der Notwendigkeit eine Tugend zu machen; der 4C sieht innen enttäuschend schlicht aus. Deutsche Marken wissen diesen Minimalismus zu einer Kunstform zu erheben, warum schafft Alfa Romeo das nicht?
Kopf- und Beinfreiheit sind überraschend gut. Der Stauraum ist minimal, sogar ein Handschuhfach wurde weggelassen um Gewicht zu sparen. Zu Recht ist ein Radio eine Option. Vor allem, wenn der optionale Sport-Auspuff gewählt wurde, ist ein Radio genau so sinnvoll wie eine Klimaanlage auf einem Motorrad; man merkt eher nichts davon.
Straßenlage
Wie es sich bei einem Sportwagen gehört, liegt der Motor hinter den Vordersitzen, aber vor der Hinterachse, und treibt die Hinterräder an. Indem das Gewicht zentral konzentriert wird, wird die Straßenlage verbessert und das Auto viel beweglicher. Überlegen Sie sich mal, wie viel Mühe es kostet, eine Hantel mit Gewichten am Ende zum Drehen zu bringen, und dann, wie viel leichter es gehen würde, wenn die Gewichte in der Mitte platziert wären.
Der Schwerpunkt des 4C ist nicht nur perfekt in der Mitte. Da eine Servolenkung fehlt, ist das Gefühl im Lenkrad optimal. Die Steuerung ist nicht nur direkt, sie vermittelt auch ein sehr gutes Gefühl zu dem, was sich unter den Vorderrädern abspielt. Das geht so weit, dass auch die Linien auf der Straße im Lenkrad spürbar sind.
Die breiten Reifen sorgen auch dafür, dass der 4C auf jede Unregelmäßigkeit auf der Straßendecke reagiert. Dauerhaft wirkt sich das bei langen Strecken eher sehr anstrengend aus, aber bei einem Trip ins Grüne erhöht es den Spaß enorm.
Ein elektronisches Stabilitätssystem ("ESP") ist vorhanden, greift aber erst sehr spät ein. Der 4C ist definitiv kein fahrender Computer, mit dem jeder schnell fahren kann. Der 4C ist ein rein mechanischer Sportwagen, wobei es nicht nur auf die Bodenhaftung ankommt, sondern vor allem auch auf die Balance. Daher kommt es ganz auf das Talent (und den Mut!) des Fahrers an. Wer einmal das Gefühl dafür bekommen hat, kann mehr aus dem 4C holen als aus so manch anderem Auto.
Wie fast jedes Auto mit Mittelmotor ist auch der 4C extrem unübersichtlich. Die Sicht im Spiegel ist minimal und die Spiegel sind zu klein (und nicht weit genug verstellbar), um einen richtigen Durchblick über das zu bekommen, was sich rund um das Auto abspielt. Rasche Spurwechsel und durch den Straßenverkehr "Schneiden" ist daher eine größere Herausforderung als eine Haarnadelkurve mit der doppelten Geschwindigkeit als der zu nehmen, die als sicher gelten soll. Bremsschwellen sind keine Herausforderung, sondern eher ein Hindernis, das der 4C nicht unversehrt übersteht.
Technik
Da der 4C etwas kleiner und leichter als andere Vollblut-Sportwagen ist, reicht ein kleiner und leichter Motor aus, um die gleiche Leistung zu liefern. Anstatt mit einem maßgeschneiderten, teueren und durstigen Sechs- oder Achtzylinder-Motor ist der 4C mit dem bekannten 1,7-Liter-Vierzylinder-Motor aus dem Alfa Romeo Giulietta ausgestattet. Dank eines schnell ansprechenden Turbos stehen die vollen 240 PS / 350 Nm fast immer zur Verfügung. Und mit dem optionalen Sport-Auspuff brüllt der Testwagen, als ob mindestens doppelt so viele PS vorhanden wären.
Um diese Pferdestärken optimal zu nutzen, sind ein Sperrdifferenzial und ein "Launch Control" Standard. Natürlich gibt es für die vielen Pferdestärken sehr starke Bremsen, diese sind aber schwer zu dosieren. Das mechanische, direkte Gefühl, das überall so prominent anwesend ist, fehlt erschreckend im Bremspedal. Um das Auto beim Bremsen unter Kontrolle halten zu können, greift das ABS daher öfters ein, als das wünschenswert wäre.
Der 4C ist mit einem Sechsgang-Automatikgetriebe mit doppelter Kupplung ausgestattet. Dank des Doppelkupplungsgetriebes ist diese Automatik schneller und wirtschaftlicher als ein Schaltgetriebe. Natürlich kann der Fahrer nach Wahl selbst Schalten (sequentiell) oder es der Maschine überlassen. Mit einem Knopfdruck kann man sich für einen komfortablen oder sportlichen Charakter entscheiden, aber sogar im komfortablen Modus ist der 4C bereits aggressiver und aufdringlicher als der schnellste GTI, Cosworth, Brabus oder AMG.
Leistung
Das tiefere Eintreten des Gaspedals führt nicht zu einer Beschleunigung, sondern eher zu einem Abschuss. Die Drehzahlen steigen so schnell, dass der Digitaltacho nicht mithalten kann und dabei Werte überspringt.
Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4,5 Sekunden ist mörderisch. Der 4C startet nicht, sondern bricht aus. Auch bei Geschwindigkeiten weit über 100 km/h hat der Motor noch so viel Leistung übrig, dass die Insassen zwangsweise in ihre Sitze gepresst werden - völlig im Einklang mit dem Charakter des Fahrzeugs.
Dieses Erlebnis wird dank eines ohrenbetäubenden "Soundtracks" noch verstärkt. Der Motor befindet sich nämlich nur einige Zentimeter hinter dem Kopf des Fahrers. Die Abtrennung dient vor allem als Hitzeschutz; die mechanischen Geräusche scheinen ohne Dämpfung direkt durchzugehen. Wenn das Gaspedal tief eingedrückt wird, nimmt der Turbo hörbar tief Luft, knallt der Auspuff, brüllt der Motor und pfeift das Getriebe. In Zahlen gefasst ist der 4C etwas langsamer als die (viermal so teuren) Konkurrenten, aber das Erlebnis ist genauso intensiv.
Fazit
Ist der Alfa Romeo 4C ein reinrassiger Sportwagen zu einem Viertel des Preises der herkömmlichen Vollblüter? Ja, sicher! Mit dem 4C stellt Alfa Romeo einen kompromisslosen Sportwagen, der die gleiche Leistung, den gleichen Nervenkitzel, die gleichen Luxus-Probleme und, nicht zu vergessen, die gleiche blendende Schönheit bietet wie viel teurere Autos.
Das Geheimnis liegt in den bescheidenen Abmessungen. Damit ist ein Auto natürlich leichter. Es reicht daher ein Standard-Motor, der dank eines modifizierten Motormanagements und eine clevere Automatik die Konkurrenz vernichtende Leistungen liefert. Offensichtlich geht das Erlebnis weit über die reine Leistung in einer geraden Linie hinaus. Aufgrund des Mittelmotors ist der 4C äußerst mobil. Dabei hat man sich nicht für Elektronik entschieden, sondern eher für mechanische Lösungen, und es bleibt dem Fahrer überlassen, das maximal Mögliche aus diesem Rennpferdchen zu holen.
- Super schnell
- Niedriger Preis
- Viel Fahrvergnügen
- Wenig Stauraum
- Sehr unübersichtlich
- Gefühlloses Bremspedal