Datum der Veröffentlichung: 12 April 2023
Aiways U6
Autotest

Aiways U6

Chinesischer Charme

Autotest - Die Chinesen erobern den Markt! Sie tun dies, indem sie clever konzipierte Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten. Bei diesen Produkten handelt es sich fast ausschließlich um elektrisch betriebene SUVs. Wie können sich die Newcomer also abheben? Aiways tut dies durch den Einsatz von chinesischem Charme. Der "U6" ist SUV und Coupé in einem, und mit ihm lockt Aiways nicht nur den preisbewussten Käufer, sondern auch den echten Autoliebhaber an.

Der U6 ist ein Mittelklassewagen mit dem hohen Aufbau eines Geländewagens und der Dachlinie eines Coupés. Dieses Konzept ist nicht einzigartig, aber die Umsetzung von Aiways ist es. Deutlich sichtbare Stoßstangen rundherum sorgen für einen abenteuerlichen Look, während Akzente mit Kevlarmuster für ein sportliches Element sorgen. Die verschiedenen Flügel und Kurven tragen nur wenig zur Verringerung des Luftwiderstands bei, aber ihr Hauptzweck ist es, dem U6 ein eigenwilliges Aussehen zu verleihen.

Aiways U6

Ausschlaggebend für das Aussehen ist die Farbe. In Gelb ist der U6 auffällig und verspielt, womit Aiways vor allem jüngere Käufer ansprechen will. Der Testwagen in Mintgrün sorgt für einen modischen Look, bei dem auch die Linienführung gut zur Geltung kommt (deshalb wurde diese Farbe auch für das Fotoshooting gewählt). Und damit ist der Ton gesetzt: Aiways unterscheidet sich zwar von durchschnittlichen Marken, ist aber keine Premium-Marke.

Weltraum

Der U6 basiert auf der gleichen Plattform wie der alltäglichere SUV von Aiways, der U5, hat jedoch einen längeren Überhang hinter den Hinterrädern und damit einen größeren Gepäckraum. Außerdem ist der Innenraum anders gestaltet.

Aiways U6
Aiways U6

Das Platzangebot vorne ist gut, das im Fond sogar sehr gut, sogar mit Panoramaglasdach. Einmal mehr schafft es der U6, sich mit seinem Design von der Masse abzuheben. Der Testwagen hat einen hellen Innenraum und wird daher Käufer ansprechen, denen die grauen und schwarzen Innenräume für Geschäftsfahrer zu steril sind.

Ausrüstung

Das Armaturenbrett ist minimalistisch, und die traditionellen Uhren hinter dem Lenkrad wurden durch ein so schlankes Display ersetzt, dass es in einer Zierleiste untergebracht ist! In der Tat werden fast alle Informationen auf einem zentralen Bildschirm angezeigt. Aiways hat dieses Konzept unverhohlen von Tesla (Model 3 und Model Y) kopiert. Allerdings hat der chinesische Hersteller das Display zu tief angebracht. Dadurch liegt es nicht im Blickfeld und es ist ermüdend, ständig den Blick vom Verkehr auf den Bildschirm zu richten.

Außerdem sind die Informationen auf dem Bildschirm unübersichtlich. Die Menge an Informationen und Funktionen ist groß und daher ist es immer notwendig, durch mehrere Menüs zu scrollen, um die gewünschte Auswahl zu treffen. Aiways verzichtet auf ein Navigationssystem und bietet alternativ Unterstützung für Apple CarPlay und Android Auto. Da die meisten Nutzer diese in der Praxis ohnehin verwenden, ist dies eine logische Wahl. Bei einem Elektroauto bringt dies jedoch zwei Nachteile mit sich. Da das Telefon keine Informationen über die Batterie hat, kann es nicht automatisch einen Ladestopp auf der Route planen. Außerdem kann die Batterie auf dem Weg zu einem Schnellladegerät nicht automatisch vorgeheizt werden, um sie besonders schnell aufzuladen (dies kann daher manuell aktiviert werden).

Für das Audiosystem hat Aiways mit dem deutschen Spezialisten Magnat zusammengearbeitet. Der Klang dieses Audiosystems ist reichhaltig und klar, aber nicht auf dem Niveau eines Premium-Audiosystems. Die Leistung des Verstärkers ist gering und daher eignet sich der U6 nicht für eine Party.

Aiways U6

Der Name "Aiways" wurde einst mit Blick auf KI (Künstliche Intelligenz) gewählt. Bislang hat das U6 jedoch wenig an selbstfahrenden Funktionen oder anderer Cleverness zu bieten. Vielmehr sind die Fahrerassistenten der Hauptkritikpunkt! Um die maximale Punktzahl im EuroNCAP-Sicherheitstest zu erreichen, stellt Aiways alle üblichen Funktionen zur Verfügung, regelt sie dann aber nervig scharf. Die Elektronik lenkt stark und viele Warnungen ertönen, oft ohne dass klar ist, warum. Alle diese "Assistenten" können zwar ausgeschaltet werden, aber weil EuroNCAP dies vorschreibt, werden sie beim Starten des Fahrzeugs immer wieder eingeschaltet.

Elektroauto

Alle Newcomer sind davon überzeugt, dass der Verbrennungsmotor keine Zukunft hat, und entscheiden sich deshalb für Elektroautos. Die Plattform, auf der das U6 aufgebaut ist, ist also für den Elektroantrieb gemacht und bietet daher viel Platz für eine Batterie. Im Falle des U6 hat diese eine Kapazität von 63 kWh. Geladen werden kann mit 11 kW an einer öffentlichen Ladestation und mit bis zu 90 kW an einem Schnellladegerät. Mit diesen Werten bewegt sich Aiways einmal mehr zwischen den Alltags- und Premiummarken.

Aiways U6

Auf dem Papier hat das U6 eine Reichweite von 400 km. Während der Testfahrt bei günstigen Wetterbedingungen war dies durchaus erreichbar (Testverbrauch 16,1 kWh / 100 km). Das ist etwas günstiger als der Verbrauch beim Aiways U5 und liegt unter anderem an einer neuen Klimatisierung, die mit einer Wärmepumpe arbeitet (diese wird später auch beim U5 kommen).

Über das zentrale Display können verschiedene Fahrmodi ausgewählt werden, und je nachdem ist der U5 liebenswürdig und ruhig bis herausfordernd und bösartig schnell. Die Art und Weise, wie die Leistung von "nur" 218 PS aufgebaut wird, lässt den U6 viel schneller erscheinen, als er tatsächlich ist. Es fühlt sich an, als könne das U6 mit Konkurrenten mit viel mehr Leistung mithalten. Bei niedrigen Geschwindigkeiten fällt auf, dass der Warnton, der draußen ertönt, um Fußgänger zu warnen, auch im Innenraum zu hören ist. Da dieses Geräusch im Stadtverkehr häufig (und abrupt!) auf- und abgeschaltet wird, wird es als störend empfunden.

Auf Knopfdruck könnte das U6 mit einem Pedal fahren. Das heißt: Wenn das Gaspedal losgelassen wird, reduziert das Auto die Geschwindigkeit und wandelt kinetische Energie in Strom um. Die Art und Weise, wie das U6 dies tut, fühlt sich jedoch unnatürlich an. Außerdem kommt das Auto nie ganz zum Stillstand. Mehr als einmal wurde der Testfahrer daher vom U6 überrascht und musste im letzten Moment auf die Bremse treten, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Aiways U6

Umgekehrt bremst der Computer bei Abfahrten regelmäßig kurz ab, um Energie zurückzugewinnen. Das ist an sich sehr clever, aber die Elektronik bremst nicht annähernd so sanft wie ein Mensch und wird daher als unangenehm empfunden (vor allem von den Passagieren). Bei all dem ist zu beachten, dass sich die Testfahrt in einem sehr frühen Stadium befand und die Software noch nicht fertiggestellt war.

Fahrverhalten

Aiways passt das Handling des U6 je nach Kontinent an. Für Europa will Aiways dem U6 den spielerischen Charakter verleihen, den sein Aussehen verspricht. Das ist dem Hersteller allerdings nur zur Hälfte gelungen. Anders als viele andere Elektroautos hat das U6 Frontantrieb. Das liegt daran, dass der Platz unter dem Kofferraum in China für ein zusätzliches Akkupaket genutzt wird (in Europa nicht erhältlich) und daher dort kein Platz für einen Elektromotor ist.

Die Federung ist schwer, um das hohe Gewicht der Batterien zu kaschieren. Aus Gründen des Komforts ist der Abstand zwischen Fahrer und Mechanik groß. Außerdem ist klar, dass jede Aktion des Fahrers zunächst durch mehrere Schichten wohlmeinender, aber extrem aufdringlicher Elektronik geht. Das wenige Gefühl, das man mit der Mechanik hat, wird also in scheinbar zufälligen Momenten vom Computer beeinflusst.

Der Fahrer gewinnt daher erst nach längerer Zeit Vertrauen in das Auto und muss zunächst abwarten, wie die Elektronik die Absichten des Fahrers umsetzt. Das hängt natürlich auch vom gewählten Fahrmodus ab. Wenn die meisten Assistenzsysteme ausgeschaltet sind und die Lenkung auf "sportlich" steht, bleibt diese gefühllos leicht, aber die Kommunikation mit der Mechanik ist ausreichend. Dann zeigt sich der U6 agil und sehr dynamisch!

Aiways U6

Schlussfolgerung

Da das Establishment noch zu langsam auf das elektrische Fahren umsteigt, ergreifen neue chinesische Hersteller ihre Chance, sich einen Marktanteil zu sichern. Da fast alle von ihnen dies mit SUVs tun, die auch ungefähr den gleichen Stil haben, geht Aiways mit dem U6 einen anderen Weg. Aiways hat sich für ein eigenwilliges Modell entschieden, das irgendwo zwischen einem SUV und einem Coupé liegt. Sowohl das Design als auch das Fahrverhalten sind ungewöhnlich spielerisch. Ebenso wichtig ist, dass das Produkt und der Preis von Aiways in der Mitte zwischen einer Durchschnittsmarke und einer Premiummarke liegen.

Der Name Aiways wurde gewählt, weil die Marke KI (Künstliche Intelligenz) und die damit verbundenen selbstfahrenden Autos betonen wollte. Diese Entwicklungen werden jedoch durch das Gesetz gehemmt. Deshalb schlägt Aiways jetzt einen anderen Weg ein und setzt auf Design und Dynamik. Der Name Aiways lässt sich übrigens auch anders erklären: Im Chinesischen kann er auch "Liebe zum Fahren" bedeuten. Chinesischer Charme, mit anderen Worten!

plus
  • Günstiger Preis
  • Lebendiger Charakter
  • Unverwechselbarer Stil
minus
  • Gefühllose leichte Lenkung
  • Aufdringliche Sicherheitsmerkmale
  • Ungünstiger und gefährlicher Standort der Ladebuchse